Wer verstehen will, warum 30 Jahre nach der deutschen Einheit oder sagen wir besser nach dem Zusammengehen der beiden deutschen Hälften nach sehr langer Trennung, die Unterschiede noch immer so groß sind, der sollte dieses Buch lesen. Da stehen alle Gründe drin. Wirklich alle.
Um es in nur einem Satz zu sagen: Deutschland hat damals die historische Chance verpasst, mit einem kompletten Neuanfang für alle Bürger in Ost und West ein sozial gerechtes Land zu schaffen.
Das Buch von Christoph Links und Hannes Bahrmann listet die Ereignisse des letzten DDR – Jahres auf, anhand von Interviews mit Zeitzeugen, exakten Schilderungen von Begebenheiten und spannenden Hintergrundgeschichten. Dazu gibt es viele geschichtliche Erläuterungen, um einen besseren Einblick in die Mechanismen der DDR – Realität zu bekommen, aber auch von den großen Unterschieden, wie sich die beiden deutschen Staaten nach ihren Gründungen entwickelt haben.
Während die DDR Reparationszahlungen an die Sowjetunion alleine leistete und ganze Industriebetriebe dorthin verbracht wurden, erhielt die BRD, aus Angst der Kommunismus könnte sich nach Westeuropa ausbreiten, von den Westallierten, vor allem der USA , durch den Marshallplan Hilfe beim Wiederaufbau des zerstörten Landes. Das führte schon nach einigen Jahren zum sogenannten Wirtschaftswunder – dem Auslöser für den späteren und jetzigen Wohlstand der BRD .
Das muss man wissen, um zu verstehen, warum sich in der Wendezeit die Hoffnung vieler DDR – Bürger auf die Erneuerung ihres Landes nicht realisieren ließ. Wie im Buch sehr gut beschrieben, änderten sich fast täglich die Realitäten. Was heute noch wichtig war, hatte einige Tage danach keinerlei Bedeutung mehr.
Als Helmut Kohl dann, aus berechtigter Angst die kommende Wahl zu verlieren, von den blühenden Landschaften für die Ostdeutschen faselte, war die Zeit der Revolution vorbei.
Der Rest ist bekannt.
Einige der spannendsten Geschichten im Buch betrifft die Formulierung des Textes der Volkskammer betreffend den Beitritt zum Geltungsbereichs des Grundgesetzes der BRD nach Artikel 23 und was Gregor Gysi damit zu tun hat. Zuviel wird hier aber nicht verraten. Dazu müssen sie schon selber das Buch lesen.
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PS: Vieles von dem, was gerade in Belarus passiert, erinnert mich stark an die Zeit im Herbst 1989 . Die Demonstrationen gegen den Staat, die brutalen Zusammenstöße mit den Ordnungskräften des Regimes und die Verhaftungen, aber auch die Kraft, die der Zusammenhalt uns gegeben hat.
Diese Kraft wünsche ich den Menschen in Belarus in ihrem Kampf gegen Lukaschenko . Ihr schafft das.